Gestern, heute, morgen: Wir nehmen Sie zum Jubiläum mit auf eine spannende Reise durch die Verlagsgeschichte, die Abteilungen unseres Hauses und das Leben im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung.
Männer der modernen Wirtschaft …
… und Ergebnisplakate in der Kneipe
Von Frank Lütkehaus
Man kann keine seine Herkunft nicht verleugnen – auch die berufliche nicht: Wenn ich heute die hochsensible Computer-Tatstatur betätige, fühlt es sich an, als würden sich die kleinen quadratischen Felder durch den Plastikboden biegen. Harter Anschlag eben. Der stammt von den alten Olympia-Schreibmaschinen, die in meinen ersten Jahren als Volontär und Redakteur beim Patriot noch auf dem Schreibtisch standen. Da ich mittlerweile zu den älteren Kollegen im Team gehöre, lag es nahe, dass ich für diese Jubiläumsausgabe den Auftrag erhalten würde, zu beschreiben, „wie Zeitung früher gemacht wurde“. Also nicht im Jahr 1848, aber in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Nun, grundsätzlich unterschied sich der Job als Sportredakteur im Vergleich zu heute nicht wesentlich. Auch „damals“ ging es darum, über Sportereignisse zu berichten, erfolgreiche Athleten zu portraitieren oder spannende Geschichten über interessante Menschen aufzuspüren. Klar, soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Tik Tok gab es nicht. In der Redaktion am Wasserturm wurde echte Handarbeit geleistet – mit einer manuellen Schreibmaschine, Manuskriptpapier, Überschriftenzetteln, Pritt-Kleber und einer Dose Tipp-Ex. Letzteres war sozusagen der Tintenkiller für Schreibfehler. Eben drüber pinseln – und weiter ging’s.
Also, die Berichte über ein Fußballspiel, eine Leichtathletik-Gala
oder ein Reitturnier wurden per Schreibmaschine auf Manuskriptpapier erfasst.
Die Spaltenbreite entsprach exakt der in der Zeitung. Redigiert wurden die
Texte mit Kugelschreiber. Vergleichbar mit einem Lehrer, der eine Klassenarbeit
korrigiert. Dabei kam so manches Kunstwerk heraus, das die Kolleginnen im
Schreibpool wohl nicht selten für ein Kreuzworträtsel hielten. An das leicht
bräunliche Manuskriptpapier wurden kleine weiße Überschriftenzettel geklebt,
auf denen der Titel stand. Ich erinnere mich noch gut an die schon vergilbte
Vorlage „Männer der modernen Wirtschaft“, auf der die verschiedenen Titelgrößen
aufgelistet waren. 16 Punkt, 20 Punkt, 28 Punkt, 36 Punkt – und für die ganz
großen Sensationsstorys 48 Punkt. Logisch, je größer der Buchstabe war, desto
weniger passten in eine Titelzeile. Das ist heute nicht anders. Auch wenn der
Computer die „Männer der modernen Wirtschaft“ längst abgelöst hat.
Man kennt ja diesen Spruch „Früher war alles besser“. Das würde ich nach fast vier Jahrzehnten Berufserfahrung nicht behaupten. Was ich allerdings sagen kann: Damals war der Kontakt zu den Vereinen intensiver. Viele Geschichten entstanden im persönlichen Gespräch mit den Sportlern in der Redaktion. Regelmäßig besuchten uns Funktionäre, um ein Foto abzugeben oder einen Text, meistens handschriftlich geschrieben. Oft wurde im Pläuschchen nebenbei die nächste Story aus der Taufe gehoben. Heute ist es in der Redaktion deutlich stiller geworden. Das Telefon klingelt selten, E-Mail oder WhatsApp sind die gängigen Kontakt-Kanäle. Ja, ein bisschen schade ist das schon.
Umso erstaunlicher, dass Block, Stift und Kamera nach wie vor zur Grundausrüstung des Lokalsportredakteurs gehören. Gleich geblieben ist auch die unerfreuliche Tatsache, dass ich die Schrift im Block wenige Minuten später kaum noch entziffern kann, obwohl es die eigene ist. Aber ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass es den anderen Kollegen ähnlich ergeht. Wenigstens funktioniert in diesen Fällen das Erinnerungsvermögen.
Eine große Hilfe für den Sportredakteur war die Erfindung des Handys. Zumindest zu dem Zeitpunkt, als jeder eines hatte. Vor allem jeder Trainer. Thema Auswärtsspiele. Mobil sind die Coaches in der Fremde deutlich leichter erreichbar. Der Spielbericht danach – ein Klacks. Früher haben wir regelrecht gebettelt: „Bitte geht nach dem Abpfiff ins Vereinsheim und ruft uns an.“ Und was passiert? Die Mannschaft verliert, der Trainer ist sauer, schmollt irgendwo in der Ecke und hat alle möglichen Gedanken im Kopf. Nur nicht, die Patriot-Redaktion anzurufen. Dann saßen wir da vor unserem leeren Manuskriptpapier. Wie sagte TV-Fußballreporter Jörg Dahlmann, der einst beim Patriot volontierte, bei seiner Lesung vor einem Jahr? „Ich musste einen Bericht über Borussia Lippstadt schreiben. Niemand war zu erreichen. Das Einzige, was ich wusste, ist, dass das Spiel 0:0 endete. Den Rest habe ich erfunden.“ Ich will an dieser Stelle nicht ausschließen, dass wir ab und zu ähnlich gehandelt haben. Es war auch lustig. Zum Beispiel als ein komplett frustrierter Trainer mit vollem Ernst in den Telefonhörer sprach: „Wenn wir nicht das blöde 0:1 kassiert hätten, dann hätten wir nicht mit 0:10 verloren.“ Widerlegen konnten wir seine Analyse nicht. Das hätten wir jedoch auch im Handy-Zeitalter nicht gekonnt.
Trotzdem, es sind schöne Erinnerungen an die eigenen Anfänge. Fussball.de. Vergesst es. Mal eben die Ergebnisse checken oder sogar die Torschützen? Das hätte vielleicht Captain Future gekonnt. In der Sportredaktion wurden die Ergebnisse der wichtigsten lokalen Ligen auf großen Plakaten gesammelt. Waren sie komplett, wurden sie per Taxi in die Kneipen gebracht. Aus heutiger Sicht unvorstellbar, wie sich die Gäste ihr Bier Bier sein ließen und sich regelrecht auf die Zettel stürzten. Herrlich. Ein Prost auf die gute alte Zeit!
Als mir beim Ablichten einer Fußballmannschaft …
… der Film aus der Kamera fiel
Von Thomas Wiegand
Wenn man als Redakteur ein gutes und nicht
alltägliches Foto geschossen hat, ist das selbst bei aller Routine auch heute
noch immer ein kleines persönliches Erfolgserlebnis. Mit der Einführung der
digitalen Fotografie sind die Chancen auf ein solches Erfolgserlebnis deutlich
gestiegen. Der richtige Riecher, wann man auf den Auslöser drückt, ist aber
trotz aller zusätzlicher technischer Hilfsmittel weiterhin eine wichtige
Voraussetzung für den besonderen „Schuss“. Heutzutage ist man natürlich auch
bei der Frage, ob das gewünschte Foto im Kasten ist, viel schneller auf der
sicheren Seite. Ein Blick auf das Display genügt, um festzustellen, ob man
einen Haken hinter das Foto machen kann oder lieber noch einen neuen Versuch
startet. Das macht das Fotografieren, gerade wenn man unter Termindruck steht,
doch deutlich entspannter.
Vor gefühlten 100 Jahren sah das natürlich noch ganz anders aus. Da zog auch ich mit Schwarz-Weiß-Filmen bewaffnet zu den Terminen los und man wusste nie, ob einem denn nun genau der Schnappschuss gelungen war, den man sich erhofft hatte. Dieses Rätsel lösten erst die Kollegen aus dem technischen Bereich, die die Filme mit einem Entwicklungsbad verwöhnten und die Negativstreifen anschließend in einem Trockenschrank platzierten, vor dem auch ich oft ungeduldig auf das Ergebnis wartete. Und die Kollegen aus der Technik erkannten blitzschnell, ob die Negativstreifen zu gebrauchen waren oder nicht. Da passierte es auch schon einmal, dass der Film, nachdem er das Entwicklungsbad verließ, eher einer Klarsichtfolie glich und somit ein Fall für den Mülleimer war. War alles glatt gelaufen, nahm man den Negativstreifen noch einmal genau unter die Lupe und wählte Bilder aus, von denen im Anschluss Positivabzüge angefertigt wurden.
Diese wurden dann wiederum von den Redakteuren mit einer Schere zurechtgeschnitten, um sie später auf einer Zeitungsseite platzieren zu können. Gerade an den Wochenenden wurde in der Sportredaktion reichlich geschnitten und die „Bildabfälle“ landeten bei mir häufig unter dem Schreibtisch. Das war offenbar auch einer Reinigungskraft nicht entgangen. Als ich nach einem Sportwochenende am Montag zurück an meinen Arbeitsplatz kehrte, sah es dort noch genauso unaufgeräumt aus wie am Vortag. Auf meinem Schreibtisch fand ich dann einen Zettel, auf dem stand: „Sagen Sie mal, sieht es bei Ihnen zu Hause genauso aus wie in ihrem Büro? Schöne Grüße – ihre Putzfrau.“
Ja, ja, die Schwarz-Weiß-Fotografie mit „echten Filmen“ war immer für einen Brüller gut. Und so länger ich in meinen Erinnerungen krame, umso mehr Episoden fallen mir ein, auf denen eigentlich schon viel Staub liegt. Ein Highlight bleibt ohne Frage einer meiner ersten Auftritte während meiner Ausbildung. Ich sollte einfach nur die Akteure einer Fußballmannschaft ablichten, die sich neu gegründet hatte. Also kein James-Bond-Auftrag für mich, sondern eigentlich eine ganz einfache Nummer. Stolz präsentierten sich die Kicker in ihren neuen Trikots, während ich in die Hocke ging, um das Foto aus einem bestimmten Winkel zu schießen. Plötzlich hörte ich ein ganz leises „Klick“, sah wie sich fast parallel die Kameraklappe öffnete, und der Film aus der Knipse fiel. In diesem Moment brach bei den Fußballern schallendes Gelächter aus und ich dachte nur: Ich bin im falschen Film. Zur Krönung gab es dann noch kostenlose Ratschläge der Kicker in Sachen Fotografie. So bot einer an, er könnte schnell die Kamera seines Opas besorgen. Da müsste man allerdings so ein Pulver anzünden, wenn man fotografiert. Rumms. Wieder ein Brüller. Ein anderer kam auf die Idee, zum Bahnhof zu fahren, um sich dort in einen dieser Passbildautomaten zu setzen. Letztlich hatte ich mein Foto dann doch noch im Kasten – aber es war und blieb für mich bis heute der spektakulärste Einsatz in Sachen Mannschaftsfotos.
Im Digitalzeitalter muss man eigentlich in erster Linie darauf aufpassen, dass der Akku vollgeladen ist, eine Speicherkarte im Schacht steckt und man die richtigen Einstellungen an der Kamera gewählt hat. Und aus Schwarz-Weiß wurde natürlich längst Farbe. Ein schöner Nebeneffekt der Fotografie ist es natürlich, wenn man mit einem Bild jemandem eine besondere Freude machen kann. So rief mich eines Tages die Mutter eines jungen Fußballspielers an, den ich durch Zufall bei einem Hallenturnier abgelichtet hatte. Sie erkundigte sich höflich, ob ich ihr ein Foto ihres Jungen zuschicken könnte, der sich darüber bestimmt freuen würde. Habe ich gemacht. Und einige Tage später erreichte mich ein Brief dieses Jungen. Er wimmelte von Rechtschreibfehlern – was aber völlig egal war. Obwohl es für den jungen Fußballfreund die reine Qual gewesen sein muss, diese Zeilen zu Papier zu bringen, bedankte er sich auf ganz liebe Art und Weise für das Foto, das in seinem Zimmer schon einen Ehrenplatz hätte. Ich habe den Brief bis heute aufgehoben.
In der Dunkelkammer ...
... wurden sogar Bankräuber überführt
Von Dieter Tuschen
Die Zeit der fest angestellten reinen Berufsfotografen scheint in den meisten Zeitungshäusern vorbei zu sein. Oft ist der Redakteur, sprich der Journalist, Mädchen für alles. Er muss dann nicht nur interviewen, fotografieren, schreiben oder ein Video vom Ort des Geschehens drehen. Nein, er muss anschließend auch noch alle möglichen Social-Media-Kanäle bedienen.
Doch das war bis Mitte der 90er Jahre anders, als die ersten digitalen Kameras auf dem Markt kamen. Das Wort Fotografie stammt aus der griechischen Sprache und bedeutet „Schreiben mit Licht“, eben mit einem Fotoapparat. Beim Fotografieren passieren zwei Dinge: Das Licht wird eingefangen, und es wird gespeichert. Das passierte in den Zeitungshäusern mittels eines Fotoapparates mit eingelegtem Schwarzweiß-Film (später Farbfilm), der in der hauseigenen Dunkelkammer entwickelt wurde, um anschließend das Motiv per Fotoabzug aufs Papier zu bringen. So wurde es auch beim Patriot praktiziert.
Fotograf Dieter Tuschen erinnert sich gut daran, dass die Dunkelkammer bei der Lippstädter Zeitung gleichzeitig Treffpunkt für alle möglichen Leute war, die im Rotlicht der Entwicklerschalen und des Vergrößerungsgerätes miterleben wollten, was sie auf Zelluloid gebannt hatten. Dabei geschahen manchmal Dinge, die alles andere als alltäglich waren. Wenn zum Beispiel in der Stadt etwa eine Bank überfallen wurde, stand oftmals der Kommissar samt meterlanger Filmrolle aus der Überwachungskamera in der Dunkelkammer und wollte den Film möglichst schnell entwickeln lassen. „Wenn er den Film bei der Polizei selbst oder in einem handelsüblichen Fotogeschäft hätte entwickeln lassen, wären Tage vergangen, und der oder die Täter wären längst über alle Berge gewesen. Wir aber konnten in unserem Labor binnen zwei Stunden die meterlangen Filme der Überwachungskameras sofort verarbeiten, und manchmal waren die Täter zu erkennen und per Fotoabzug zu überführen“, erinnert sich Tuschen.
Es kam aber auch vor, dass sich der Fotograf während des Einhängens eines Films im stockdunklen Raum unbedacht eine Zigarette anzündete. Durch den Feuerschein waren dann alle Aufnahmen dahin, da der Film natürlich absolut lichtempfindlich war. Nicht ganz so gut in Erinnerung blieb Dieter Tuschen eine Aktion mit den „Kollegen“ der Bild-Zeitung. Nach dem Absturz eines Tornados in der Nähe von Dedinghausen standen binnen weniger Stunden zahlreiche Redakteure und Fotografen von Bild vor unserer Dunkelkammer und nahmen sie ohne Wenn und Aber in Beschlag. Dabei waren sie an Arroganz und Selbstüberschätzung kaum zu überbieten. Das Schöne war jedoch, so Tuschen, deren Fotos waren keinen Deut besser als die vom damaligen Patriot-Fotografen Bodo Krumat.
Ganz selten kam es vor, dass die Sportfotografen keinen Ball auf ihrem Schnappschuss hatten. Dann wurde das runde Leder entweder mittels Schere reinmontiert oder per „Sandwich-Aufnahme“ am Vergrößerungsgerät reinkopiert. Eine Geschichte wird Tuschen niemals vergessen: „Ich kam eines Tages an meinem Arbeitsplatz und sah, dass in dem Trockenschrank, wo sonst die entwickelten Filme trockneten, eine Canon-Kamera hing, aus der das Wasser nur so triefte. Dem Kollegen war in der Dunkelkammer der Kamerariemen gerissen und der komplette Apparat landete im Wasserbecken. Nun konnte man mit der Canon zwar Nägel in die Wand schlagen, so robust war sie, aber die Mechanik war nach dem Wasserfall im Eimer.“
In der Dunkelkammer beim Patriot wurden im Jahr etwa 2000 Filme mit der Hand entwickelt. Das ergibt in zehn Jahren über 20.000 Filme plus die dazugehörigen Abzüge. Aber auch von Röntgenbildern oder alten Glasdias wurden immer mal wieder vorsichtig Abzüge auf Papier angefertigt und den unterschiedlichsten Kunden zur Verfügung gestellt.
„Die Dunkelkammer beim Patriot war auch ein begehrter Treffpunkt und verbarg so manche Geheimnisse, die bis heute im Dunkeln bleiben“, erinnert sich Dieter Tuschen gerne an die alte Zeit zurück, in der er über 30 der 50 Jahre Betriebszugehörigkeit täglich in der Dunkelkammer verbrachte.