Gestern, heute, morgen: Wir nehmen Sie zum Jubiläum mit auf eine spannende Reise durch die Verlagsgeschichte, die Abteilungen unseres Hauses und das Leben im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung.
Von Dominik Friedrich
Ein Thekenbesuch im Gasthof „Drei Kronen“ veränderte im Juni 1869 die Welt für Carl Josef Laumanns. Der 23-jährige Drucker aus dem niederrheinischen Odenkirchen strich auf der Durchreise nach Leipzig aus dem Zwischenstopp das „Zwischen“, übernahm als Geschäftsführer und Redakteur den Patriot, heiratete die Verleger-Witwe Caroline Weinert und firmierte fortan als „C. J. Laumanns“. Es war der Beginn einer Familien-Ära. Auch im 175. Jahr des Verlages ist der Patriot unweigerlich mit dem Namen „Laumanns“ verbunden. Dr. Michael und Dr. Reinhard Laumanns, man darf sie gerne Alt-Verleger nennen, lassen es sich nicht nehmen, täglich im Medienhaus an der Hansastraße vorbeizuschauen, während Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer Christoph Barnstorf-Laumanns den Patriot gemeinsam mit 100 Mitarbeitern in die digitale Zukunft führt. Zum Jubiläum aber gewährt Dr. Michael Laumanns (83) im Interview mit Chefredakteur Dominik Friedrich zunächst Einblicke in Vergangenheit und Gegenwart eines ganz besonderen Familienunternehmens.
Dr. Michael Laumanns, was wäre wohl passiert, wenn Ihr
Urgroßvater 1869 Lippstadt auf dem Weg nach Leipzig links liegen gelassen
hätte?
Das ist die große Frage. Dann wären die Laumanns möglicherweise
gar nicht ins Zeitungsgeschäft eingestiegen. Es war jedenfalls alles ein großer
Zufall. Und witzig war es irgendwie auch. Der Drucker Carl Josef Laumanns war
ja deutlich jünger als die Witwe Weinert mit ihren fünf kleinen Kindern. Sie
hat ihn vom Fleck weg verpflichtet, wenig später geheiratet und mit ihm noch
weitere neun Kinder bekommen. Das war schon eine Leistung. Und was meine Rolle
im Verlag betrifft, kam noch hinzu, dass mein Großvater Carl Laumanns der
Lieblingssohn seiner Mutter war. Er war das jüngste von 14 Kindern. Somit war
es sehr ungewöhnlich, dass er die Nachfolge im Verlag antrat.
Es gibt beim Patriot eine legendäre Geschichte von einer nie in Betrieb genommenen Stechuhr. Was steckt dahinter und was sagt diese Anekdote über das Arbeiten im Verlag aus?
(lacht). Die Stechuhr-Geschichte begab sich vor meiner Zeit als Verleger. Als ich 1968 in die Firma kam, hing die aber noch an der Wand – quasi als Menetekel. Aber nun zur eigentlichen Geschichte: In der Nacht vor der Inbetriebnahme wurde wohl Blei in die Uhr gekippt. Die Geschäftsführung ließ es auf sich beruhen. Es wurde also nie gestempelt in unserem Haus. „Das Ding muss weg“, habe ich dann gesagt, als ich übernahm. Ich hätte Sie ohnehin nie eingeführt. Es war immer ein großes Vertrauen in eine verantwortungsbewusste Mitarbeiterschaft da.
Wie viel von dieser Unternehmenskultur steckt auch heute noch im Medienhaus Laumanns?
Ich bin schon als Kind und Jugendlicher in der Firma groß
geworden. Das war schon immer wie eine Familie. Natürlich hat sich Vieles
verändert seitdem. Vieles ist aber auch erhalten geblieben. Die
Familientradition setzt sich fort. Auch in schwierigen Zeiten, etwa in
Streikphasen, zeigt sich immer ein großer Zusammenhalt. Den würde es wohl nicht
geben, wenn wir nicht immer diese familiäre Zusammenarbeit gepflegt hätten.
Sie erlebten das Gestern und das Heute. Die Medienlandschaft bewegt sich rasant. Online dominiert. Digital ist die Zukunft. Trauern Sie der analogen Zeit eigentlich hinterher?
Nein, überhaupt nicht. Dann würde ich mich gleichzeitig gegen jegliche Neuerung sperren. Und das wäre nicht gut. Zugeben muss ich aber, dass die gesamte Branche das Online-Geschäft anfänglich komplett unterschätzt hat. Das Kernproblem der aktuellen Zeitungsmisere ist, dass wir Inhalte zu Beginn und teilweise heute noch kostenlos verschenkt haben. Das holen wir nie wieder auf.
Kommen wir zu Ihren Anfängen: Sie verloren Ihren Vater, den Verleger Friedrich Karl Laumanns, 1951 im Alter von elf Jahren. Gab es seitdem einen Tag in Ihrem Leben ohne Verantwortung für den Patriot?
Diesen Tag hat es nie gegeben. Vom Todestag meines Vaters an bin ich bei meiner Mutter in eine Vertrauensrolle gewachsen. Ich hatte ja drei jüngere Geschwister. Meine Mutter hat sämtliche Probleme rund um die Firma immer mit mir besprochen. Es war daher immer klar, welche Rolle ich einnehmen werde.
Seit 55 Jahren stehen Sie selbst auf der Kommandobrücke: Wie sind Sie in die Verleger-Schuhe hineingewachsen? Und was zeichnet einen guten Verleger aus?
Ich habe zunächst in Münster Betriebswirtschaft studiert mit dem Abschluss als Diplom-Kaufmann. Dann absolvierte ich zwischenzeitlich ein Praktikum beim Verlag Bachem in Köln. Es folgte das Studium der Staatswissenschaften in Graz. Dort habe ich auch promoviert. Während des Studiums war ich aber sehr viel zu Hause, um meine Mutter im Verlag zu unterstützen. Ein guter Verleger muss regional verwurzelt sein, darf nicht abgehoben sein und sich nicht hinter den Schreibtisch zurückziehen. Meine politische Tätigkeit bezeichne ich im Nachhinein als Fehler. Dadurch habe ich den Kontakt in die Redaktion verloren. Da gab es schon gewisse Spannungen. Ein Verleger muss klar erkennen, dass es eine Trennung geben muss zwischen Redaktion und Verlag.
Erinnern wir uns doch mal an besondere Phasen Ihrer Verlegerzeit: Sie waren mal abhängig von der Westfalenpost. Was war da los?
Das war damals nicht einfach. Als ich in den Verlag kam, bekam die
Westfalenpost den Mantel von den Ruhr Nachrichten. Dann gab es Streit zwischen den beiden
Häusern. Plötzlich lieferte uns die Westfalenpost den überregionalen Teil von der Kölnischen
Rundschau und den Anzeigen-Umfang von der WAZ-Gruppe im Ruhrgebiet. „Ein Mantel
aus dem Rheinland passt von der Mentalität einfach nicht hierhin“, habe ich
damals gesagt. Dann haben wir gekündigt, viele Nachtverhandlungen geführt und
1972 einen neuen Vertrag geschlossen. Als sich 1975 die
Beteiligungsverhältnisse bei der Westfalenpost änderten und die WAZ auf einmal 92 Prozent
der Anteile hielt, war das ein endgültiger Kündigungsgrund.
Wie ging es dann weiter?
Ab dem 1. Januar 1976 bekamen wir den Mantel direkt von den
Ruhr Nachrichten. Gedruckt wurde der Patriot damals in Oelde. Seit 1988 sind wir
am Druckzentrum der Verlegerfamilie Ippen beteiligt. Seitdem bekommen wir den
Mantel vom Westfälischen Anzeiger in Hamm. Der Weg zu Ippen war damals absolut
richtig. Das zeigt sich heute noch.
1973 übernahmen Sie von Ihrem Freund Leo Flamm die Geseker
Zeitung? Was bedeutete das für den Verlag, was bedeutete das für Sie? Sie haben
nach wie vor enge Beziehungen nach Geseke.
Das war eine sehr wichtige und richtige Entscheidung. Das war in
Zeiten der kommunalen Neuordnung eine sinnvolle Abrundung. Die Menschen im Amt
Störmede bezogen damals den Patriot. Sie erhielten von da an die Geseker
Zeitung. Das hat den Zusammenhalt der neuen Großgemeinde Geseke sehr gefördert.
Wichtig war der Schritt auch für den Erhalt der Geseker Zeitung. Wir übernahmen
schließlich alle Mitarbeiter.
1984 zog der Patriot von der Kolpingstraße an den Wasserturm: Das
öffnete den Weg für den Wandel zur digitalen Produktion. Die erste Hardware kam
ins Haus. Ein Redaktionssystem ersetzte den Bleisatz. Erinnern Sie sich gerne
an diese Zeit?
Sehr gerne sogar. Ich habe dem Bleisatz nicht nachgeweint. Es
herrschte eine große Aufbruchstimmung damals. Erst zog die Zeitungstechnik um,
dann folgten die anderen Abteilungen. Der Umzug war sehr wichtig im Zuge der
technischen und digitalen Revolution. Genauso wichtig war 1984 aber auch der
Erwerb des Pressehauses am Markt. Das war ein bedeutender Schritt, um die
Präsenz in der Stadt aufrechtzuerhalten.
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zum Lokalradio: Das war für
Sie stets eine Herzensangelegenheit.
Ja, das kann man so sagen. Ich gehörte zu den
Gründern des Westfälischen Presserundfunks. Da war ich von Beginn an der
Sprecher. Wir wollten einen Gegenpol zu den rheinischen Verlagen und zur WAZ
bilden. Über die Schiene bin ich in viele weitere Gremien gekommen. Ich war
unter anderem Vorsitzender der Lokalfunk-Betriebsgesellschaften und
Vorsitzender im Aufsichtsrat von Radio NRW. Die Verlage im Kreis Soest sind bis
heute mit 75 Prozent am Hellweg Radio beteiligt.
Zurück zum Verlag: 1992 trennten Sie sich von der hauseigenen Akzidenzdruckerei. Ihre schwierigste Entscheidung?
Das war sehr kompliziert und sehr teuer. Wir haben uns freigekauft
von über 60 Mitarbeitern. Alle von ihnen wurden andernorts untergebracht,
niemand landete auf der Straße. Wir mussten uns damals auf das Zeitungsgeschäft
konzentrieren. Wenn wir für die Aufgabe der Druckerei nicht genau diesen
Zeitpunkt gewählt hätten, wären wir vielleicht heute gar nicht mehr da. Das war
die beste Entscheidung, die wir gefällt haben.
Haben Sie 1997, als der Patriot als eine der ersten Zeitungen überhaupt eine Internetseite auf den Markt brachte, geahnt, mit welcher Dynamik
die digitale Revolution uns erfassen würde?
Nein, nicht im Entferntesten. Ich habe ja schon gesagt, dass die
Gefahren und Chancen, die von Online ausgingen, nicht erkannt wurden. Sonst
hätten wir unsere Inhalte nicht kostenlos hergegeben.
Kooperationen und Konzentrationsprozesse prägten die 2000er-Jahre:
Mit den Zeitungen der Ippen-Gruppe in Soest und Hamm erfolgt ein reger
(Seiten-)Austausch. Gemeinsam wird ein modernes Druckzentrum in Rhynern betrieben: Wie sehr hilft dem Patriot als kleinem Zeitungsverlag dieses
Miteinander?
Das hilft uns sehr. In unserer Größenordnung
sind Alleingänge unmöglich. Investitionen in eine Druckerei etwa wären so nicht
zu stemmen. Das Miteinander ist überlebensnotwendig. Die Kooperationen sind so
aufgebaut, dass wir zukunftssicher aufgestellt sind, ohne bei den
Entscheidungsprozessen unsere Eigenständigkeit zu verlieren.
„Am Ende zählt guter Inhalt“, sage ich. Was sagen Sie? Welche
Chance hat der Patriot als regionales Nachrichtenorgan in dieser von einer
Informationsflut in den Würgegriff genommenen Medienwelt?
Ich sehe große Chancen, wenn wir unserem Auftrag, Nachrichten von
zu Hause zu liefern, weiter gerecht werden. Es darf dafür in der Redaktion
nicht gespart werden.
Wie lesen Sie eigentlich Zeitung: auf Papier, in der App auf dem E-Paper oder auf der Patriot-Homepage?
Komplett auf Papier. Ich kann das digital einfach nicht. Ich lasse mir die Zeitung auch heute noch in den Urlaub nachschicken.
Wie lange wird das noch gehen?
Dazu gebe ich keine Prognose ab. Falls ich 100 werden sollte,
hoffe ich, dass ich dann noch eine Papierzeitung auf dem Tisch liegen habe.